Die Schulter-Rumpf-Verbindung ist essenziell für die Balance, Beweglichkeit und Tragkraft eines Pferdes. Sie ist mit eine der faszinierendsten Strukturen im Pferdekörper. Eine entscheidende Rolle spielt sie auch für die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Pferdes. Doch was genau macht diese Verbindung so besonders, und wie beeinflusst sie die Bewegung? Viele Trainingsfehler belasten diesen sensiblen Bereich unnötig – oft ohne, dass es dem Reiter bewusst ist.
1. Anatomie: Die „freie“ Schulter
Im Gegensatz zum Menschen, bei dem das Schlüsselbein die Schulter mit dem Rumpf verbindet, hat das Pferd keine knöcherne Verbindung zwischen Vordergliedmaßen und Rumpf. Stattdessen übernimmt ein komplexes Zusammenspiel aus Muskeln, Faszien und Bändern diese Funktion.
Die wichtigsten beteiligten Strukturen sind:
M. serratus ventralis: Dieser Muskel trägt den Rumpf und wirkt wie eine Federung. Des weiteren ist er ein Hilfsinspirator, er Unterstützt die Einatmung.
M. pectoralis profundus und superficialis: Die Brustmuskeln, sie Unterstützen die Verbindung zum Brustkorb, tragen den Rumpf und stabilisieren die Vorhand.
M. trapezius und M. rhomboideus: Halten das Schulterblatt in Position und ermöglichen seine Bewegung.
2. Biomechanik: Bewegung und Belastung
Da die Schulter nicht durch ein Gelenk mit dem Rumpf verbunden ist, sondern über Muskeln „aufgehängt“ wird, kann sie sich frei bewegen. Dies hat mehrere biomechanische Vorteile:
- Stoßdämpfung: Die Muskeln absorbieren Erschütterungen beim Auffußen.
- Flexibilität: Das Pferd kann die Vordergliedmaßen weiter nach vorn oder hinten bringen, ohne dass ein starres Gelenk die Bewegung einschränkt.
- Kraftübertragung: Die Muskulatur leitet die Energie effizient vom Hinterhandantrieb nach vorn.
Einfluss auf die Bewegung
- Bei korrekter Anspannung des M. serratus ventralis hebt sich der Rumpf zwischen den Schultern, was zu einer besseren Schulterfreiheit führt.
- Eine verspannte oder schwache Muskulatur kann hingegen zu einer „hängenden“ Vorhand, verkürzten Tritten und Problemen in der Balance führen.
3. Probleme und physiotherapeutische Ansätze
- Schulterblockaden & Muskelverspannungen: Diese entstehen oft durch Fehlbelastung oder einseitige Arbeit.
Physiotherapie: Massage, Faszientechniken, gezielte Dehnübungen. - Mangelnde Schulterfreiheit: Oft durch ungenügende Aktivierung der tragenden Muskulatur.
Physiotherapie: Kräftigungsübungen, Arbeit über Stangen oder bergauf. - Vorhandlastigkeit: Wenn der Rumpf nicht genug von der Hinterhand getragen wird.
Physiotherapie: Körperwahrnehmungstraining, korrektes Longieren, aktivierende Bodenarbeit.
Häufige Fehler im Training und ihre Auswirkungen
1. Zu wenig Vorwärts-Abwärts-Arbeit
Viele Pferde laufen mit einer zu hohen Kopfhaltung, sei es durch falsche Reiterhilfen oder mangelnde Dehnung. Dadurch bleibt die Schulter steif.
Folge: Der Rumpf hängt durch, die Schultern werden blockiert, und das Pferd verliert an Beweglichkeit.
Lösung: Regelmäßige Vorwärts-Abwärts-Arbeit entspannt die Muskulatur und verbessert die Schulterfreiheit.
2. Einseitige Belastung
Pferde werden oft bevorzugt auf einer Hand gearbeitet oder durch den Sitz des Reiters ungleichmäßig belastet.
Folge: Muskelungleichgewichte entstehen, die eine Schulter stärker belasten als die andere.
Lösung: Achte auf eine gleichmäßige Belastung und integriere Übungen wie Schenkelweichen und Schulterherein.
3. Zu viel Gewicht auf der Vorhand
Viele Pferde laufen zu stark auf der Vorhand, weil sie nicht ausreichend in der Hinterhand aktiviert werden.
Folge: Die Schulter-Rumpf-Verbindung wird überlastet, das Pferd stolpert häufiger und verliert an Balance.
Lösung: Übergänge, Bergauf-Arbeit und Stangenarbeit helfen, die Tragkraft der Hinterhand zu verbessern.
4. Fehlende Gymnastizierung
Einseitiges Training ohne Seitengänge oder Variationen kann die Schulter-Rumpf-Verbindung steif machen.
Folge: Die Muskulatur verkürzt sich, das Pferd verliert an Geschmeidigkeit.
Lösung: Plane abwechslungsreiche Trainingseinheiten mit Seitengängen, Bodenarbeit und Dehnübungen ein.
Kleine Anpassungen mit großer Wirkung
Die Schulter-Rumpf-Verbindung ist ein komplexes System, das durch Training stark beeinflusst wird. Mit gezielten Übungen und einer bewussten Gymnastizierung kannst du deinem Pferd helfen, gesünder und beweglicher zu bleiben. Achte darauf, dein Pferd gleichmäßig zu arbeiten, die Muskulatur zu entspannen und Überlastungen zu vermeiden.
